lunedì 6 gennaio 2014

Italien und die Eurokrise



Die Eurokrise ist über ein Land hereingebrochen, das schon zuvor in einer zweifachen Krise steckte – einer Wirtschaftskrise und einer politischen Krise. Es besteht doch kein Zweifel, dass diese Krise in allererster Linie eine politische und dann in zweiter Linie eine wirtschaftliche ist. Genauer gesagt: Die Wirtschaftskrise des Landes ist die Folge einer lang anhaltenden, tiefen, politischen Krise
.


Was meine ich damit? Sowohl durch eine Pattsituation zwischen den größeren politischen Lagern, die in Italien agieren, als auch durch die nicht verfassungskonformen Tendenzen im rechten Lager ist das Land seit gut 20 Jahren lahmgelegt. So wurden keine Strukturreformen angepackt, etwa um die Staatschulden aus den 80er/90er Jahre radikal abzubauen oder um dem Lande eine nachhaltige Wirtschaft- und Industriepolitik zu geben. Die Phase der Niedrigzinsen, eine positive Folge der Einführung des Euro, wurde vollkommen verpasst.

Was ist passiert ?
>>> Einerseits ist die Steuerlast, die die steuerlich erfasste Bevölkerung zu schultern hat, immer größer geworden. Dadurch wurden und werden v.a. die produktiven Kräfte stark bestraft .
>>> Andererseits wurden viele Ausgaben – selbst die notwendigsten, wie die für die Universität, für die Schulen, für die Forschung, für die Instandsetzung der Infrastruktur usw. – drastisch gekürzt. Der Staat ist immer weniger in der Lage, seine institutionellen Aufgaben zu erfüllen.

Schon in den 90ern Jahren, aber auch nach der Euroeinführung, um spekulativen Turbulenzen wegen der hohen Staatsschulden vorzubeugen, musste Italien Jahr für Jahr einen hohen Primärüberschuss (Einnahmenüberschuss des Staates ohne Berücksichtigung der Zinsen) erwirtschaften. Die Gesamtsumme des Primärüberschusses von 1995 bis 2012 betrug 593 Milliarden Euro (in jetziger Kaufkraft). Insgesamt wurden Zinsen im Wert von 1445 Milliarden Euro bezahlt. 40% davon mit dem genannten Primärüberschuss, 60% aus dem regulären Etat oder durch die Neuverschuldung. Der Anteil des Primärüberschusses an den Zinszahlungen ist ein Rekord in Europa. Zum Vergleich: die Niederlande haben in derselben Zeit 25% der ausgezahlten Zinsen durch den Primärüberschuss gedeckt, Deutschland 17%. [ Quelle: Prof. Marco Fortis, siehe http://www.ilsole24ore.com/art/notizie/2013-07-26/miglior-debito-quello-italiano-063818.shtml?uuid=AbQLSaHI ]. Bei anderen ‚gesunden’ Ländern ist der Prozentsatz noch niedriger. Bei Ländern wie Portugal, Spanien, Griechenland und Irland wurden die Zinsen hingegen im großen Format mit neuen Schulden bezahlt.

Dieser Kraftakt Italiens hat tiefe Spuren hinterlassen.

Die Staatschuld lag vor der internationalen Finanzkrise bei ca. 105% des BIPs. Sie ist 2011 auf 120% und mehr geklettert und die Prognose für 2014 liegt bei einer Staatschuld von 134%, abermals weil das BIP durch die Folgen der Austerität sinkt. In den letzten 6 Jahren (2008 – 2013) ist das italienische BIP nämlich um fast 9% gesunken. Zweierlei muss man hinzufügen:
a) Die Wettbewerbsfähigkeit der exportierenden Industrie wurde am wenigsten beeinträchtigt. Die Ausfuhr ist beinahe parallel zum Trend der deutschen Industrie gestiegen. Was zusammengebrach, ist der Binnenmarkt. Der Einbruch war v. a. durch 3 Faktoren bedingt: die gesunkenen Kaufkraft der Konsumenten, die Zukunftsangst und die Kreditklemme.
b) Das Gesamtvolumen der Schulden ist kaum gewachsen. Es ist aber schwerer geworden, sie zu honorieren. Die bezahlten Zinsen belasten aktuell den Haushalt um ca. 5% des BIPs: eine enorme Bürde.

Und noch was: Italien hat auch mit seinem Anteil zur Unterstützung einiger Länder mit mehr als 50 Mrd. Euro beigetragen, ohne Lockerung der Schuldengrenze.

Italien hat weniger häufig als andere Länder und in kleinerem Maße die Defizitgrenze von 3% überschritten. Aber trotzdem wird es extrem stark von der EU-Kommission kontrolliert und ermahnt.

Das Land hat auch die Finanzkonsolidierung fortgesetzt… aber wie? Durch Steuererhöhungen! Deswegen durchläuft es seit mehr als 2 Jahren alle klassischen Stationen einer ökonomischen Depression: Zuerst die Rezession, dann die depressive Stagnation. Schließlich rutscht es langsam in die Deflation. Parallel entstehen natürlich: Hohe Arbeitslosigkeit und die Ausweitung von prekären und schlecht bezahlten Jobs.

Und jetzt? Großer Unmut weitet sich im Lande aus. Gegen die ganze italienische Führungsschicht, aber zunehmend auch gegen Europa. In erster Linie gegen Deutschland, das unnachgiebig eine rezessive Politik abzwingt und dem Lande nicht erlaubt, eine gemäßigt expansive Wirtschaftspolitik zu betreiben (sagen wir salopp: eine Wirtschaftspolitik à la Keynes), das bis jetzt einzige bewährte Rezept gegen Wirtschaftsdepressionen. Und dies, obwohl der bisherige Plan, der sichere Erfolge durch die Austerität versprach, tief enttäuscht hat. Stattdessen haben sich bis jetzt – im Hinblick auf die aktuelle Euro-Krise – alle Warnungen und Prognosen der Keynesianer bewahrheitet (siehe z. B. Stellungnahmen von ausgewiesenen Makroökonomen wie Paul Krugman, Joseph Stiglitz oder Dani Rodrik).

Die meisten italienischen Ökonomen – aus allen Schulen und Richtungen – plädieren seit Jahren für eine dreifache Therapie:
a) Selektive Restrukturierungen im öffentlichen Dienst und Kürzungen der Staatsausgaben, Liberalisierungen im Arbeitsmarkt und im Dienstleistungssektor (das deckt sich beinahe mit den Empfehlungen aus Brüssel und Berlin),
b) Steuerentlastungen für das produzierende Gewerbe und das Dienstleistungssektor sowie für die erwerbstätige Bevölkerung, Bekämpfung der Steuerhinterziehung,
c) Ankurbelung der Wirtschaft durch öffentliche, sinnvolle Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung, massive Investitionen in Forschung.

Was ist aber geschehen? Punkt (c) war v. a. wegen der 3%-Klausel des maximalen jährlichen Defizits nicht praktikabel. Steuerentlastungen (siehe Punkt (b)) waren nicht praktikabel… eben wegen des Punkts (c). Sollte man also bei ( a ) – Restriktionen und Kürzungen – ansetzen? Das ist schließlich das, was Berlin und Brüssel immer wieder monieren. Nur, es gab zwei Bedenken bzw. Schwierigkeiten, die erste wirtschaftlicher Natur, die zweite rein politischer Natur.
1 ) Während einer schweren Rezession bzw. Depression sind selbst gerechte Kürzungen im Staatsetat zuerst Gift für die Konjunktur. Mit anderen Worten: Solche Kürzungen wirken rezessiv und können, wenn andere Maßnahmen nicht entgegenwirken, wie das Fasten für einen schwer angeschlagenen Patienten sein.
2 ) Solche Kürzungen verärgern und enttäuschen Teile der Bevölkerung. Um sie durchzusetzen, muss die Regierung so stark sein und ein so hohes Ansehen genießen, dass auch unpopuläre Maßnahmen akzeptiert werden.

Die politische Lage in Italien erlaubte und erlaubt nicht – jeder besonnene Außenstehende würde es so sehen – einen so waghalsigen Weg zu gehen. Das haben sowohl Monti als auch Letta eingesehen.
Was blieb also übrig? Da (a), (b) und (c) bis jetzt nicht praktikabel oder zu riskant waren und sind, wurde auf eine andere Maßnahmenart, die zuerst kein Ökonom empfohlen hatte, zurückgegriffen. Nennen wir sie: (d). Es wurden nämlich Steuererhöhungen beschlossen.
Man wusste, dass auch Steuererhöhungen rezessiv wirken, dass sie keine nachhaltige Lösung sind. Man wusste auch, dass sie ebenfalls unpopulär sind. Andererseits wirken sie schnell (v. a. die indirekten Steuern). Um Zeit zu gewinnen, waren sie aber m. E. noch die beste Lösung. Man könnte fragen: Was für eine Zeit? Es macht Sinn, Zeit zu gewinnen, wenn man auf etwas hofft. Aber worauf? Ich würde sagen: Dass die Vernunft in Europa – besser gesagt, in Deutschland – wieder einkehrt und die 3%-Klausel für ein Land in Not endlich gelockert wird. Wenn gerade diese Klausel und nur diese Klausel andere positive Maßnahmen verhindert, warum sollte sie Geltung haben, als ob es das Wort Gottes wäre?

Monti hat immer wieder versucht zu erreichen, dass neue, begrenzte Staatsschulden für sinnvolle Investitionen in dieser Notlage außerhalb der Defizitgrenze gebucht werden. Auch die Finanzhilfen, die für die europäischen Fonds, die zur Rettung der angeschlagenen Länder zur Verfügung gestellt wurden, belasten den italienischen Haushalt. Monti hat ebenfalls vorgeschlagen, dass auch diese Positionen ausgenommen werden. Er musste aber auf Granit beißen. Wozu diese Prinzipientreue, wenn es klar ist, dass eine gewisse Regel, mindestens vorübergehend, einer der größeren europäischen Wirtschaften drastisch schadet?

Ein ganzes Land fängt an, sich zu fragen, ob der Euro die Mitursache der eigenen Misere ist. Europa, und zwar ein zunehmend von Deutschland bestimmtes Europa, wird immer häufiger als Hindernis betrachtet. Warum keine Flexibilität in der Behandlung der verschiedenen Krisenherde? Warum wird alles über einen Kamm geschoren?

Noch mehr: Warum wird Europa bloß durch die Brille der Wirtschaft gesehen und regiert?

Schlussbemerkung: Wirtschaftliche Vorteile waren früher die treibende Kraft der europäischen Integration. Die Wirtschaft hat früher eine eindeutig positive Rolle dabei gespielt. Aber weil die anderen Felder sträflich vernachlässigt wurden, befinden wir uns nun in der gegenteiligen Lage. Die aktuelle Wirtschaftspolitik in Europa ist eher zu einem Spaltpilz geworden, sie ist nicht mehr imstande, Europa ein einheitliches Gesicht zu geben. Sie ist auch nicht imstande zwischen den Ländern wirklich zu vermitteln. Keine guten Vorzeichen für die bevorstehenden Europawahlen. Wir erwarten eine Zunahme der politischen und wirtschaftlichen Spannungen. Und leider ist kein überzeugendes Konzept in Sicht. So haben wir von Volta La Carta!! gedacht.

Aber dann haben wir das Papier der Glienickergruppe gelesen… endlich ein Hoffnungsschimmer.


Ausgearbeitete Fassung
der Einführung von Beppe Vandai zum
Vortrag von Prof. A. von Bogdandy
AUFBRUCH IN DIE EURO-UNION
Heidelberg, 13. 12. 2013

Volta La Carta!! e. V. – Heidelberg


WOHLGEMERKT:
Zum Papier der Glienicker Gruppe: Siehe auch das PROTOKOLL der KONFERENZ von Prof. A. von Bogdandy vom 13.12. 2013
AUFBRUCH IN DIE EURO-UNION” [ siehe meine Mail v. 18.12.13 ]

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